Jugendkriminalität

Zum Thema

Von jugendlichen Straftätern, Heuschrecken und Nebelkerzen   
                                                                       
von Helmut Försch

Zur Zeit wird viel Dampf gemacht im Vorfeld der Landtags- und auch schon der Bundestagswahlen. In dieser Hexenküche der Halbwahrheiten und gezielt gesteuerten Emotionen lässt sich gut mit der Angst der Menschen und mit der Ablenkung von den Fehlern und den Gründen für die Entwicklung der letzten Jahre argumentieren und handeln.  Was steckt denn hinter dem Problem der Jugendkriminalität? Oder dem Abwandern ganzer Industriezweige ins Ausland? Oder der rapid wachsenden Armut in diesem reichen Land? Oder der hilflosen Versuche der Politik aus dem von Heuschrecken und Krokodilen fein gestrickten Netz noch einen gangbaren Weg zu finden.?
Das Volkseigentum an Immobilien, Industrie, Verkehr, Post und Bahn wurde verschleudert, die Renten­kassen geplündert, für Rüstung, militärische Abenteuer, Prestigeobjekte und fragwürdige Repräsentation wurden Schuldenberge aufgehäuft. Bildung und Ausbildung wurde sträflich vernachlässigt, in letzter Zeit sogar privilegiert, genau so wie auch das Gesundheitswesen zunehmend zu einem Klassenthema wird.  Fachkräftemangel bei großer Arbeitslosigkeit und daneben Führungskräfte, die Summen davonschleppen, mit denen sie verschuldete Städte sanieren könnten. Um Arbeitsplätze zu schaffen schaufelt die Politik Milliarden in den Rachen der Wirtschaftsmafia. Die lachen sich ins Fäustchen, kassieren und hauen ab. Die Arbeitsagentur zahlt für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes einen Teil des Entgelts, bei Abschluss der Maßnahme fliegt der wieder raus: Subvention für Abzocker.
Ein Teil der Schulabgänger bekommt keinen Ausbildungsplatz, sehr viele müssen sich mit einem Job zufrieden geben, der keine Freude macht. Junge Menschen geladen mit Wünschen und Energie, die keine Erfüllung finden, sehen zu, wie andere mit Geld und Prestige um sich schmeißen, haben nicht die Mittel, sich eine weitere schulische Aus- oder Fortbildung zu leisten und wenn sie das doch versuchen können, stehen sie trotzdem auf der Straße.   Die Bildung insgesamt wird durch Schulgeld und Lernmittel­kosten erschwert. Auf Grund des sozialen Standes bedürfen viele Kinder schon in den Grundschulen psycholo­gischer Hilfe.  An Fachkräften, die das bewältigen können fehlt es, am Geld und oft auch am Willen es dafür bereit zu stellen, erst recht. 
Wenn ein Jugendlicher erstmals mit dem Gesetz in Konflikt kommt, dann ist es sicher hilfreich, wenn er mal ein paar Tage in Untersuchungshaft nachdenken kann, aber es ist nötig, dass er dann auch noch mit geschultem Personal über seine Lage und seine Chancen reden kann, dass ihm Perspektiven und Hilfen geboten werden. Auf solchem Wege kann man die meisten abhalten, weiter abzurutschen. Es wird sich aber nur dann insgesamt etwas ändern, wenn die Ursachen angepackt werden: das Kind schon muss von der ersten Klasse an gefördert werden, familiäre Defizite müssen erkannt, bereits bestehende vom Schul­psychologen behandelt werden. Auch der finanziell Unvermögende muss die gleichen Bildungschancen bekommen. Es muss darauf geachtet werden, dass die Talente erkannt und zielgerichtet gefördert werden. Ob ein Studium angestrebt werden kann, darf allein von der Eignung abhängig sein. Wenn die Arbeit­geber nicht ausbilden, müssten sie eine Abgabe entrich­ten, die den ausbildenden Firmen gutgeschrieben werden.  Wenn es um Ausbildungs- und Arbeitsplätze geht, steht nur selten der Mensch im Mittelpunkt der Überlegungen und Entscheidungen, sondern der Gewinn, die Rendite, das Interesse der Eigentümer und Geldgeber.  Allein aus solchen Erwägungen werden Firmen geschlossen oder verlegt, werden Arbeit­nehmer "freigestellt", wird Familien die Zukunft verbaut, werden Menschen, die ihr Leben lang schwer gearbeitet haben, künftig mit einer Rente, die kaum oder nicht einmal den Fürsorgesatz übersteigt, abge­speist. Millionen von Menschen fristen ihr Leben mit Minijobs, oft mit mehreren Arbeitsstellen.  Obwohl ihnen Urlaub und Krankengeld gesetzlich zusteht, wird es vielen vorenthalten.  Die Gewerkschaften dürfen angeblich nicht dagegen einschreiten, die Politik hält sich raus, der Bürger ruft das Gericht an, gewinnt den Prozess und verliert seinen Arbeitsplatz. Er wird allein gelassen.
Wenn heutzutage handwerklich und akademisch gebildete Menschen mit 1-Eurojobs ihr Leben fristen müssen, dann ist das eine Bankrotterklärung der Gesellschaft. Wenn ein Mann, der ein Vierteljahrhundert geschuftet, sich ein Leben lang für seine Familie und die Allgemeinheit eingesetzt hat, mit 50 Jahren nicht nur seinen Arbeitsplatz, seine geordnete Zukunft eingebüsst hat, sondern auch all sein Erspartes und sein Eigentum und damit ein unbeschwertes Alter verliert, dann ist das ein Verbrechen.  Das erkennen natürlich auch die Betroffenen und das wissen auch die Politiker, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Und jene vermuten mit Recht, dass sich die Ausgebeuteten und Entrechteten das eines Tages nicht mehr gefallen lassen und deshalb ist es auch sonnenklar, warum die ständigen Versuche, die Freiheits­rechte der Bürger einzuschränken, sie zu überwachen und schließlich auch die Bundeswehr im Innern einsetzen zu können, immer mehr an Ungeduld und Schärfe zunehmen. Die ersten Schritte dazu sind getan.  Abhören und Schnüffeln sind bereits gängige Praxis und die Frage, ob die Methoden der Stasi als Vorlage dienten oder bereits übertroffen werden, wäre zu stellen.  
Der Traum von den Vereinigten Staaten von Europa ist ausgeträumt. Er hat lediglich eine immense Bürokratisierung und eine ungezügelte Globalisierung der Märkte gebracht.  Wenn das Wohl der Men­schen - aller Menschen und der Natur - wieder in den Mittelpunkt von Zukunftsvisionen kommen soll, müssen alle Kräfte darauf gerichtet werden, die Demokratie zu stärken, der Politik wieder in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zu treffen, vor allem die Diktatur des Suprakapitalismus zu brechen.  Das wird sehr schwer sein, denn sie besitzen die Macht der Wirtschaft, ihnen gehören die Medien, sie verfügen über die militärischen Resourcen und sie sind dabei, das Bildungsmonopol durch Rückkehr zur Klassen­gesellschaft zu etablieren.