Hoch die Solidarität Die Zeit – 12. 02. 09 Seite 1

„Hoch die Solidarität“ Die Zeit – 12. 02. 09 Seite 1

Über Tendenz und einzelne Fakten des Beitrags von Bernd Ulrich wäre eine ausgiebige
Diskussion nötig. Nur soviel: „Was kommen muss ist etwas anderes: eine Phase der Solidarität...“ 
schreibt Bernd Ulrich und fügt hinzu, dass Solidarität nach Reichensteuer,Neid und saurem 
Zwang klingt. Genau das ist es. Seit den 90er Jahren ist der Ausstiegaus der Solidargemeinschaft 
nicht zu übersehen. Wenn sich Menschen über die immerweiter aufklaffende Schere zwischen arm 
und reich empören, ist man schnell bei derHand, das mit Neid abzutun. Und man war sehr erfolgreich 
damit. Solidarität, für von Millionen von Menschen in der Vergangenheit Halt und Aufgabe zugleich, 
wurde diskreditiert. Leistung muss sich wieder lohnen, Haste was, biste was, Mehr Netto vom Brutto 
und ähnliche Slogans verkürzen den Blick auf einen Teil der Gesellschaft, alldie anderen bleiben 
draußen vor. Wer verbraucht, alt, krank , arbeits- oder mittellos ist,zählt nicht mehr, seine Bezüge 
werden durch Inflation und Teuerung, durch Kürzung,neue und höhere Steuern und Abgaben bestraft.
Während des Aufschwungs wurdedie vorher von den Beschäftigten geübte Zurückhaltung bei den 
Löhnen nie vergolten. Zeitverträge, Leiharbeit, Mindestlohn – das alles hebt die frühere Partnerschaft 
der Tarifparteien aus den Angeln. 
Nämlich: dieses schöne Wort Solidarität umfasste früher die ganze Lebenswelt mit Arbeit und Freizeit, 
Umwelt, Gesundheit und Tod und sollte eigentlich alle Menschen umfassen. Wenn aber in Finanzen und 
Wirtschaft Probleme auftreten, dann wird die Solidarität der Mitbürger verlangt, ausgerechnet von denen,
für die Forderungen der „kleinen Leute“(die man jetzt gerne als Proletariat oder Präkariat beschimpft) 
als Neid abgetan wird. Die Solidarität von unten wurde gegeben und wird wieder gefordert. Es gibt
kein Anzeichen für den umgekehrten Weg und Berlin produziert hilflose Luftnummern. 
Hoch die Solidarität ??